Einen Kompromiss über die europäische Verfassung zu finden zwischen durch Gräben getrennten Staaten, wobei die Gräben mit Millionen von Toten aufgehäuft sind, ist von kindlicher Einfachheit im Vergleich dazu, sich mit sechs Menschen, von denen fünf zu früh mit Mixgetränken angefangen haben, über ein Ausgehziel zu verständigen. In Berlin. Wo doch so viel geht, dass man – egal, wohin man geht – immer etwas verpasst.
Zur Wahl stehen das Weekend, das Watergate, das Golden Gate. Das in der Spreeblick-Mailingliste bewährte Verfahren (jeder zwei Stimmern, ein Vetorecht) wird klar als Albernheit erkannt. Zum Schnick-Schnack-Schnuck kommt es nicht, weil eine Einigung über den Modus nicht erzielt werden kann. Also einfache Abstimmung, zunächst aber noch die wichtigsten Argumente.
Im Weekend legt Miss Kittin auf, was manche gut, manche schlecht finden.
Dort sehen alle Frauen aus wie Nutten, was manche gut, manche schlecht finden.
Das Golden Gate ist kleiner als ein mittelgroßes Wohnzimmer, was manche gut, manche schlecht finden.
Im Watergate laufen nur Vorstadtprolls herum, was alle schlecht finden. Ich finde das gut. Im Grunde meines Herzens bin ich ein Automechaniker aus Stolberg.
Ich stimme also als Einziger für das Watergate. Um meiner Stimme mehr Gewicht zu verleihen, erzähle ich, dass ich gerade eine U-Bahn vor einem Terrorakt gerettet habe. Ein Moslem mit einem Täschchen hatte die Bahn bestiegen, mich mit flackernden Augen angestarrt – und die Bahn verlassen. Er hatte ganz offensichtlich davon abgesehen, uns in die Luft zu sprengen, weil ich aussah wie er. Er wollte keinen Bruder töten.
Ich hatte es mit dieser Geschichte erstaunlich schnell geschafft, bei den anwesenden Muslimen in Ungnade zu fallen, erzielte aber keine Stimmgewichtserhöhung. Auch ein Hinweis auf die zwei Fehlgeburten meiner Mutter stieß auf taube Ohren. So wurde es nichts mit einer Quadratwurzelzählweise.
Plötzlich ging es um Flugversuche auf LSD und dass man für diese Flugversuche eine bestimmte Disposition mitbringen müsse, weil LSD allein dies nicht bewirke. Von da war der Sprung zu Möllemann nicht weit. Ob dieser nun in selbstmörderischer Absicht gesprungen sei und ob das Video das beweise. Eine der Anwesenden arbeitet bei Springer, wusste daher alles ganz genau und ich widerstand der Versuchung, mit meinem überlegenen Bildblog-Wissen dagegen zu halten. Stattdessen beharrte ich darauf, Möllemann sei aus Selbstüberschätzung fallschirmlos gesprungen.
Wo waren wir stehengeblieben? Zwei Stimmen für das Weekend, zwei für das Golden Gate. Eine Enthaltung. Also Gruppentrennung, Sieg der Individualität? Nein, wir entschieden uns für das Weekend, bestiegen das Taxi, ließen einen der Week-End-Befürworter mit dem Fahrrad nachkommen, überstimmten den anderen und fuhren ins Golden Gate.
Das Golden Gate ist spartanischer als eine Nasszelle in Lakonien, es riecht nur weniger gut und die Luftfeuchtigkeit ist höher. Claudius beklagt sich, dass unter den Gästen nur Männer sind. Da ich ab drei Uhr Nachts meiner Neigung zu haltlosen Behauptungen vorbehaltlos nachgebe, erkläre ich ihm, dass in allen Clubs, in denen ich bisher war, die Männerquote höher gewesen sei als in Schwulendiscos. Das Leben sei halt ein Resteficken.
Mit einer Frau, die aussieht wie Collien Fernandes in klug und schön, ergründe ich die Probleme von Beziehungen im fünften Jahr ihres Bestehens. Meine Barthaare kräuseln sich nach oben und jucken an meiner Nase. Wenn ich brülle, mir die Nase kratze und mir der Schweiß die Stirn runterrinnt, obwohl ich nicht tanze, bin ich in Beziehungspsychologie nicht mehr zu schlagen.
Da ich vor einigen Jahren den Vernichtungsfeldzug gegen meine Gehirnzellen aufgegeben habe, weil sie sowieso immer wieder nachwachsen, bin ich der Einzige, der nicht besoffen, bekifft, verpillt oder verpappt ist.
Ich nippe an meinem Bier wie ein anorektisches Kalb am Euter seiner Mutter, beschließe, mich ab jetzt zu freuen, wenn ich Collien Fernandes im Fernsehen sehe, mag die Musik und gehe in den Sonnenaufgang.
Wie undramatisch Clubben sein kann. Wenn man sich einmal entschieden hat.