September, 2009
20
Sep 09
Daran denkt ja wieder keiner – alltägliche Alltagsprobleme in Serie.
Teil Eins – Das Staubsaugerproblem.
Das Geräusch das Staub in einem Zyklonstaubsauger beim zyklonieren erzeugt, ist haargenau dasselbe, das Staub bei normalen Staubsaugern beim durchfliegen des Ansaugrohres macht. Beide Male stößt der Staub heftig aufgewirbelt an seine Umgebung an. In einem Fall im Zyklonbehälter und im anderen Fall im Saugrohr. Daraus ergibt sich eine sonderbare Saugproblemsituation: Das aufgewirbelte Anstossen des Staubes im herkömmlichen Ansaugrohr war damals (sic!) ein deutliches Indiz dafür, dass an der gerade übersaugten Stelle noch Staub lag, man sozusagen auf eine Staubgoldader gestoßen war. Man saugte also so lange über besaugter Stelle, bis das Anstossen des aufgewirbelten Staubes am Saugrohr zunächst leiser wurde und später ganz verstummte, nur um dann befriedigt auf sein Saugwerk zu blicken, festen Wissens, eine gute Arbeit, weil einen sauberen Teilabschnitt der abzusaugenden Fläche fertiggestellt zu haben.
Aufgewirbelter Staub in einem Zyklonstaubsauger tut nun allerdings genau das, was er tun soll: er zykloniert. Das bedeutet er wirbelt (ohne Saugverlust) im Staubauffangbehälter in einer atemberaubender Geschwindigkeit und schlägt dabei immer wieder gegen die durchsichtige Behälterwand. Das dabei erzeugte Geräusch ist – wie eingangs schon erwähnt – eben identisch, zu dem Ansauggeräusch im Ansaugrohr. Beim saugen ergibt sich deshalb nun folgendes, logisches, aber überaus schwerwiegendes Problem: Der Saugende kann nicht mehr verifizieren, ob er länger an einer zu saugenden Stelle verweilen muss, der Geräuschlogik der alten Staubsaugermodelle folgend, oder ob die zu besaugende Stelle schon ausreichend gesaugt wurde. Das Geräusch bleibt immer gleich und gleich laut. Unter Umständen verlängert sich so das Staubsaugen unnötig. Bei Erfindungen wie Zyklonstaubsaugern werden solche zu lösenden Probleme sicher nicht in die Produktüberlegungen geflossen sein – weil daran denkt ja wieder keiner.
Mathias
15
Sep 09
Privates Fernsehen
Vor vielen Jahren habe ich mir mit dem Ziel zu masturbieren die Coupé gekauft, bin aber bei einer Bildstrecke hängengeblieben, die propagierte, man könne Krebs durch Bettwäsche bekommen. Die Bilder zeigten eine junge Frau, gerade noch rosig, dann durch Kontakt mit dem Laken vom Krebs zerfressen. Die Nachher-Bilder waren so grotesk schlecht gemaskenbildnert, dass mir die Freude an der Masturbation verging und ich mich stattdessen einer sittlich vornehmeren Beschäftigung widmete. Während ich also an meinem Weihnachtsgeschenk für die große Schwester strickte, dachte ich, wie erstaunlich es doch ist, dass es diesen Beruf überhaupt gibt: Nichtnackt-Fotostreckenerfinder für ein Wixmagazin. Mit dem Triumph des Internets ging es bergab mit den gedruckten Wixereien und so musste man sich Sorgen machen um das Gewerbe des redlichen, handwerklich etwas ungeschickten Medienmenschen, der einem mit harmlos-debilen Geisterbahngeschichten die Freude an der Menschheit nimmt.
Heute habe ich entdeckt, dass all diese Menschen doch noch einen Unterschlupf gefunden haben: im privaten deutschen Fernsehen.
An unserem Urlaubsort ist entgegen vertraglicher Absprachen die Regenzeit angebrochen und so war ich am Abend dem in der Ecke hängenden Zimmerfernseher ausgeliefert. Birgit Schrowange nahm den Fall des von zwei Jugendlichen totgeschlagenen Juristen zum Anlass, den Zustand der Jugend unseres Landes zu beklagen.
Es fand sich ein Psychologe, der zu Protokoll gab, heute fände sich immer einer, der noch einmal gegen den Kopf trete, dabei sei er selber ein Raufbold gewesen. Kinder schauten sich Videos von Vergewaltigungen auf ihren Schulhofhandys an und verwendeten daraufhin schlafende Briten als Barbecuegrundlage und ein dicker Türke erinnerte sich an ein Früher, in dem man halt mal eins in die Fresse gab und dann war gut, während man heute immer gleich ein Messer im Bauch stecken habe. Um der inneren Logik dieses Beitrags folgen zu können, müsste man sein Hirn vermutlich mit Haarspray behandeln lassen oder mal mit Markus Lanz geschlafen haben. Ich wechselte zu Pro7, wo mir ein orangefarbener Brummer, der so ähnlich wie ein türkischer Joghurt heißt, erklärte, die Bibel enthalte einen Code. Nachgestellte Spielszenen zeigten einen heftig rauchenden Wahnsinnigen, der vorhergesagt hatte, dass es ein Attentat auf Jitzchak Rabin geben werde und dann bei einem souverän den Skeptiker mimenden Kleindarsteller drei versiegelte Umschläge mit weiteren aus dem Bibelcode gewonnenen Prophezeiungen hinterlegte.
Es wird eine Wirtschaftskrise geben ab 2001.
In Folge dieser Wirtschaftskrise werden Terroristen leichter an Atombomben kommen.
Atomarer Holocaust.
Unterlegt wurden diese Prophezeiungen von Graphiken, die der besagte Coupé-Designchef angefertigt hat. Grün leuchtende hebräisch anmutende Schriftzeichen, die wie von Zauberhand das Wort Wirtschaftskrise formten.
Schauen wir mal, sagte der türkische Joghurt, ob diese Ereignisse stattgefunden haben.
Ich sah mich hilfesuchend nach meiner Lieblingslektorin um und fragte, ob sie einen atomaren Holocaust vor mir verheimlicht hätte und sie mutmaßte, ein kleinerer Holocaust atomaren Ursprungs könne ja durchaus stattgefunden haben, beispielsweise im Hirn des türkischen Joghurts.
Der Joghurt warb dann in der Werbepause für ein Produkt, das ich sofort wieder vergessen habe, aber kurz kam mir der Gedanke, dass dieser vermaledeite atomare Holocaust vermutlich tatsächlich raumgreifender stattgefunden hatte als geahnt. Auf RTL pflaumte derweil ein Praktikant mit Lungenkrebslunge auf der Brust einen rauchenden Kioskbesitzer an, was ihm denn einfiele, schließlich mache Rauchen doch Krebs. Der Kioskbesitzer löschte daraufhin die Zigarette, was RTL als Zeichen von Vernunft wertete und ich als Beweise für den atomaren Holocaust.
Dann wurde minutenlang ein kaum zu zeigendes Video der britischen Verkehrswacht gezeigt, in dem ein Rudel Engländerinnen beim Verfassen einer SMS während der Autofahrt einen privaten Holocaust erleidet. Geschminkt wurden die leicht maulwurfnasigen Britinnen in den Gewaltszenen vom bewährten Coupéfachmann.
Die private Parts des türkischen Joghurts schoben sich just in diesem Moment auf Pr0n7 in die Kamera. Was zum Teufel?, dachte ich, aber nein, der Mann hat lediglich eine erstaunliche Pimmelnase. Die Pimmelnase sagte, der atomare Holocaust habe ja nun doch noch nicht stattgefunden, dann schwitzte er ein wenig und schob hinterher: Noch nicht.
Und ich hatte schon gehofft.
13
Sep 09
Steinmeier spielt auf Unentschieden und gewinnt die Unentschiedenen
Im Fußball ist es Sitte geworden, bei einem Tor, das man gegen einen ehemaligen Verein erzielt, nicht zu jubeln. Und so ergeht man sich auch als Teil der Doppelspitze der CDU/CSPD-Fraktion nicht in Häme, wenn man sich gerade einen Treffer gutschreiben konnte. Den Asse-Skandal präsentierte Steinmeier also nicht unter Triumphgeheul und auch der Satz “Ihre Partei hat das Land an die Atomlobby verschachert” fiel nicht. Stattdessen bröselte Steinmeier längliche Wortbrocken dahin, die nur einen Sinn ergaben, wenn man mit der Atomdebatte vertraut ist wie ein Gorlebener Bauer. Und auch sein Trikot lüftete er nur für einen Moment, zog es aber selbstverständlich nicht über den Kopf.
Ein altes Ehepaar sahen die vier (in Zahlen: 4) Moderatoren, befürchteten nacheinander “ein Duett, kein Duell” und waren irgendwie seltsam überzählig. Ein Journalist anstelle von vier (4) Moderatorendarstellern, die wirkten wie ein alter Harem, hätte dem Spiel gut getan. Nur eine Hintertorkamera vermisste der Zuschauer schmerzlich. So konnte am Ende niemand mit Bestimmtheit sagen, wer sich häufiger in seinen Worthülsen verfranst hatte. Es beckenbauerte gewaltig, leider nur auf der sprachlichen, nicht auf der spielerischen Ebene.
Bildung war kein Thema, das ist wenigstens ehrlich, denn zur Bildung hat der Bundeskanzler weniger zu entscheiden als irgendein nur seiner Mutter und engstem Freundeskreis bekannter Kultusminister eines beliebigen Stadtstaates, Flächenlandes oder Zwergenappendix.
Früh legte sich Steinmeier fest, dass er zwar gerne gewönne, aber keine Möglichkeit sieht, dies tatsächlich zu bewerkstelligen. Die Linkspartei lehnt er als Koalitionspartner ab, weil er gerne unbegrenzt in Afghanistan bliebe. Nun kann man mit guten Gründen in Afghanistan bleiben (einem Land, dessen Regierung gerade erst beschlossen hat, dass Männer ihre Frauen verhungern lassen dürfen, wenn sie ihnen sexuell nicht zu Diensten sind, was auf nebulöse Weise ein Fortschritt sein soll), es bleibt nur die Frage: Warum sollte man mit der Linkspartei nicht in Afghanistan bleiben können? In Berlin erweist sich doch eines auf jeden Fall: Keine andere Partei sieht sich so wenig an ihr Programm gebunden wie die Linke. Eine absurde Vorstellung, Petra Pau würde auf ihren Gedönsministerposten verzichten wegen irgendwelcher zivilen Opfer. Die Linkspartei hat sich in ihrer ganzen Geschichte noch nicht für zivile Opfer interessiert – oder waren die Mauertoten keine zivilen Opfer?
Die Linkspartei wegen ihrer Haltung zu irgendetwas auszuschließen bedeutet, jemanden an sein Geschwätz von Gestern zu erinnern, dem sein Gedächtnis bei einer Identitätskrise samt Namensverlust abhanden gekommen ist. Ist das klug?
Wenn nun aber Steinmeier, da hatte Merkel Recht, nur Kanzler werden kann mit der FDP – und er gleichzeitig nicht müde wurde zu betonen, wie gut es mit der CDU lief – warum ist dann die CDU/FDP-Koalition ein Schreckgespenst?
Es gibt gewaltige Unterschiede zwischen SPD und CDU. Von der Leyen, Schäuble, Jung, um nur die wichtigsten zu nennen. Sinn einer solchen Performance ist es, diese Unterschiede zu verdeutlichen. Spielt man als beinahe schon abgeschlagener Tabellenzweiter allerdings auf Unentschieden, dann ist das etwas wenig.
Dann aber die Schlussoffensive: Restverteilungsmasse. So ein Wort zaubert Steinmeier in der Schlussminute aus dem Hut, einfach so. Unwillkürlich fragt man sich, ob er auch, während er ein Frühstücksei köpft, murmelt: “Schatz, reichst du mir mal die Restverteilungsmasse und die Untersuchungsauschussschlussbesprechungsprotokolle?”. “Die Restverteilungsmasse der Volksparteien ist kleiner geworden”, lautete der ganze Satz. Die Restverteilungsmasse fühlt sich nicht mehr ganz ernstgenommen und schon gar nicht vertreten von den beiden eineiigen Eiern auf der Bühne.
Mit Mühe sah die Restverteilungsmasse Steinmeier vor Merkel (Steinmeier wird auch bei Verkündigung der Umfragen sein Trikot nicht über den Kopf gezogen haben, um sein Jesus loves You-Shirt zu zeigen), stellte aber lauter werdend die Frage: “Können Sie uns nicht noch etwas Drittes zeigen?”
13
Sep 09
Das Liveblog zum Kanzlerduell – Merkel vs. Steinmeier
Ab 20.30 Uhr Seit jetzt blogge ich hier das Kanzlerduell live.
12
Sep 09
Ich frag einfach mal:
Hat hier irgendjemand Interesse an einem garantiert nicht neutralem Liveblog zum Kanzlerduell morgen?
Mit gesalzenen Witzen, gepfefferten Kommentaren und einem bitteren Beigeschmack?
Mathias
11
Sep 09
Flugzeuge im Bauch.
Malte ist heute in ein Flugzeug gestiegen und damit ins Paradies geflogen.
Wenn man den ersten Satz so liest, kann man mir wenigstens billigste Effekthascherei unterstellen. Und man hätte Recht. Der Satz ist nicht mal lustig, wenn man ihn versteht. Und schon gar nicht, wenn man ihn sich erst erklären lassen muss – den Gesamtzusammenhang zwischen dem heutigen Datum, Flugzeugen und dem Paradies.
Ist der 11. September ein Jahrestag? Ich meine, sagt man Jahrestag dazu? Ein Jubiläum wird es ja wohl kaum sein. Aber selbst Jahrestage tragen einen feierlichen Background mit sich rum. Gedenktag trifft es wahrscheinlich am besten, aber der Begriff Gedenktag schließt den numerischen Faktor aus. Einen XY. Jahrestag kann man begehen, ein XY. Jubiläum auch irgendwie noch, aber einen XY. Gedenktag – das liest sich nicht. Ich halte den 11. September aber schon für einen Tag, an den man sich auch numerisch erinnern sollte.
Malte macht sich über sowas jetzt keine Gedanken mehr, obwohl ihn das bestimmt gereizt hätte. Malte ist jetzt im Paradies und schaut uns zu. In irgendeinem Internetcafé, auf irgendeiner Insel.
Ich mache hier in der Zeit den Platzwart und pass auf, dass hier niemand mit Straßenschuhen durchläuft und ab und zu werde ich sicher auch den ein oder anderen Beitrag hier stehen lassen.
So denn, winkt dem Malte zu und singt ihm alle entgegen:
Mathias
9
Sep 09
Die wahre Wahlwerbung der CDU
Die Ich -Perspektive: Wie kann ein Mensch unter Hundert auf die Idee kommen, die CDU zu wählen? Nach diesem Spot versteht man es.
8
Sep 09
Das Internet-Manifest, Addendum
Ubiquität setzt sich durch.
Wenn man keine Inhalte schafft, für die jemand bezahlt, dann berät man halt Leute mit Geld, um ihnen beizubringen, wie sie es verlieren.
Wir haben Recht, denn wir machen das schon seit 5 Jahren.
Ihr seid zu alt.
Ihr seid zu jung.
40 ist das neue Schwarz.
Haar ist überbewertet.
Wir haben eine Frau dabei.
Gebt uns endlich Geld.
Gebt uns endlich Anerkennung.
Wir wollen genau dahin, wo Ihr seid.
Wer nichts kann, der findet immer auch einen, der was kann, der es für ihn macht.
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Man, sehen wir gut aus.
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