Gerade habe ich eine Mail von einem Leser bekommen, der sagt, er sei froh, sich trotz des Titels überwunden zu haben, das Buch zu kaufen. Das habe ich nun schon häufiger gehört. Da darüber hinaus auch meistens spekuliert wird, Piper habe mir den Titel aufgedrückt, habe ich das Gefühl, dass eine Erklärung nicht schaden kann.
Die Idee, ein Sachbuch über die Liebe zu schreiben, hatte ich etwa 2006/2007. Arbeitstitel war “Der Sexualmarkt”. Als Titel eines Buchs hat es der Begriff in diesen Text über Paul geschafft (Auszug: “Ich blättere in einem Exemplar von Matzes „Der Sexualmarkt“. Die Bücher fliegen hier überall rum. Ja, da steht, dass ich verloren bin: Auf dem Sexualmarkt gilt das Matthäusprinzip. Wer hat, dem wird gegeben. Das ist natürlich äußerst ungerecht, aber ein unverrückbares Prinzip.“)
Den Titel habe ich irgendwann während der Arbeit an dem Exposé wieder aufgegriffen, mein Agent fand ihn allerdings zu technisch. “Frauen und Männer passen nicht zusammen (…)” geht, anders, als es im Buch erklärt wird, nicht auf ein Abendessen mit meiner Familie zurück (der Ich-Erzähler im Buch ist mittelfiktional), sondern auf einen Running Gag zwischen meinem Freund B und mir. Er klagte sein Leid, ich sagte “Frauen und Männer passen eben nicht zusammen” und er sagte daraufhin: “Außer in der Mitte”. Es kann auch sein, dass er den ganzen Satz selber gesagt hat, ich erinnere mich da nicht genau. Woran ich mich erinnere: Ich habe dabei immer an übereinander liegende Gummibärchen gedacht.
Irgendwann Anfang 2009 erwähnte ich dann gegenüber meinem Agenten den Titel in seiner jetzigen Form. Er hat gekichert. Das Kichern setzte sich bei Piper fort, ebenso bei zahlreichen Freunden, die ihn gehört haben. Der Titel hatte zudem den Vorteil, dass er sich vage durch den Inhalt des Buchs erklären lässt.
Genau das, eine Deckungsgleichheit herzustellen zwischen Titel und Inhalt, ist nämlich gar nicht so einfach. Überhaupt ist es schwierig, sich einen Titel auszudenken. Für einen Artikel ist es einfach, schreibt man für Printmedien, denken sich sowieso die Redakteure einen aus, aber ein Buch ist so erstaunlich lang und ein Titel verhältnismäßig kurz, selbst wenn er so lang ist wie meiner.
Entweder wählt man einen deskriptiven Titel, dann klingt es, als habe man ein soziologisches Fachbuch geschrieben. Oder man entscheidet sich für ein selbsterfundenes Wort, etwa Neosexualität oder Postsexualität oder etwas in der Art. Es gibt auch die Möglichkeit, dass einem etwas Großartiges einfällt, das zufällig schon einem anderen eingefallen ist.
Hier drei Beispiele aus dem Denkprozess:
Die Liebe ist ein Nazi (Ja! Nazi! Aber ist die Liebe ja eigentlich gar nicht)
Die Liebe in Zeiten der Schweinegrippe (Juhu! Aber Schweinegrippe ist so 2009)
Generation Arschkarte (Arschkarte, hihi. Aber Generation geht gar nicht)
Nun zu der Frage, ob Piper mich gezwungen hat: Erklärt sich eigentlich schon, da selbst bei Piper niemand durch die Zeit reisen kann, aber etwas ausführlicher: Der Autor ist der Autor. Das Buch ist sein Buch.
Dass der Verlag etwas entscheidet, ohne es mit dem Autor abzustimmen, ist vermutlich in der Praxis möglich, erfordert jedoch einen einknickbereiten Autoren.
Der Titel ist also, kurze Antwort: Albern, aber nicht beknackt. Albern ist gut, weil ich flachen Humor durchaus zu schätzen weiß, wenn er nicht länglich wird. Und der Titel ist von mir und von mir allein (übrigens auch nicht Loriot, dem ist er nur so ähnlich vorher eingefallen, ich kannte sein Buch allerdings als einziger Deutscher nicht).
“Liebe in Zeiten der Schweinegrippe” brachte mich soeben zum Kichern.
Gar nicht! Der Titel ist sehr klasse. Weil er alles abdeckt. Liebe, Sex, warums nicht geht (warums darum garnicht geht) und warums doch geht.
Wie schon an anderer Stelle festgestellt, macht ja das unübertroffene Intro auf der Stelle klar, was du meinst.
Ein bisschen Engagement einem Buch gegenüber über den Titel hinaus kann außerdem nicht schaden, und kann man verlangen.
Schließlich geht es nicht um die korrekte Lagerung von Klopapier, sondern um nichts geringeres als die Liebe.
Das Buch ist richtig gut.
Weißt du ja.
Ich dachte beim Titel leider auch zuerst an etwas was Mario Barth schreiben würde. Und vielleicht ist auch die Überwindung noch mal schwierig, wenn ich der hübschen Buchhändlerin erklären muss, welches Buch ich kaufen möchte. “Der Sexualmarkt” wäre mein persönlicher Favorit gewesen. Kaufen tu ich es natürlich trotzdem noch.
Also ich assoziiere bei dem Titel eher was in Richtung “Warum Frauen nicht einparken und Männer nicht zuhören können” – auch nicht unbedingt vorteilhaft. Zudem ist “Männer und Frauen passen in der Mitte zusammen (oder auch nicht)” ein bisschen sehr Alt-Männer-Humor.
Daher auch meine Meinung: das Buch hätte einen “besseren” Titel durchaus verdient.
Hauptsache, das Buch hat nicht so eine beschissene “Frage-als-Untertitel”, wie z.B.: “Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen”.
Diese angeblich knackig formulierten Fragen, die “den Leser da abholen wo er ist”, waren in 2008-2009 in den USA das heisse Ding für Sachprosa (jedes in der Dailz Show vorgestellte Produkt hatte so eine Frage unter dem Titel), und da wir in Deutschland uns immer für trendy halten, wird uns nun diese immer leicht debil wirkende Fragerei als Untertitel bis zum erbrechen reingewürgt.
Also, danke, dass dein Buch uns das erspart.
Hättest Du es, “Liebe in Zeiten der Schweinegrippe” genannt, hätte ich meinen Anteil eingefordert!
http://provinzkind.de/2009/11/06/liebe-in-den-zeiten-der-schweinegrippe/
Ich muss sagen, ich finde den Titel eher uneindeutig, da er nach weniger klingt, als das Buch im Endeffekt ist – aber wie du schon sagtest, DU bist der Autor. ;)
Habe übrigens eine
Ich muss sagen, ich finde den Titel eher uneindeutig, da er nach weniger klingt, als das Buch im Endeffekt ist – aber wie du schon sagtest, DU bist der Autor. ;)
Habe übrigens eine Rezension darüber geschrieben.
Glückwunsch: Du hast mit diesem Post das Wort “mittelfiktional” erfunden. :-)
ich find titel und buch toll.
ein bisschen offtopic noch: was ist eigentlich aus paul geworden?
Aus dieser weiten, großen gütigen Perspektive von fast fünf Wochen Abstand seit Gelesenhabung plus Erklärung kann ich den Witz sogar nachvollziehen. Und mich darüber freuen, dass es durchaus subversive Qualitäten entwickelt, wenn man bedenkt, dass schon die zweite Auflage gedruckt wurde.
Wie viele 43jährige Hausfrauen und 38jährige Vollzeitkeinezeithaber da von der schiefen Bahn geholt werden, lässt sich erst in vielen Jahrzehnten erforschen.
Der Titel ist voll Gülle (um das mal so zu sagen).
Erinnert mich an Idiotenliteratur, die regelmäßig “Männer… blahblah … Frauen.. blahirgendwas” im Titel hat und schon viel zu inflationär im Buchhandel ausliegt. Da bekomme ich echt das Gruseln. Tschuldigung.
“Der Sexualmarkt” klingt wesentlich seriöser, wenn auch irgendwie unappetitlich.
Aber es kommt wohl auf die Zielgruppe an.
Der Titel hat den Verkäufen sicher nicht geschadet. Für den Autor vielleicht auch interressant auf diese Weise einPublikum jenseits des Blogschreiberlesers zu erreichen. Ich werde mir das Buch jedenfalls wegen des Titels NICHT kaufen. (Obwohl ich auf ein Welding-Buch gewartet hatte.) Stellt Euch vor, jemand besucht mich und sieht dann so ein Buch bei mir rumliegen. Der fragt docn gleich, ob ich auch did neue Mario Barth DVD mitbestellt habe…
das zeugt ja von großer unsicherheit. keine sorge, das wächst sich aus.
Danke für den schönen Blog den ihr hier habt macht weiter so.Ich kommer gerne wieder.