Nach Berliner Maßstäben hat man mit dem Verfassen eines Buchs den sogenannten Doktortitel des kleinen Mannes erworben. Ich möchte daher ein paar Beispiele aus meiner eigenen Kopiererfahrung darlegen.
Das Internet hat mir die Arbeit in einem Ausmaß erleichtert, dass ich grob schätzen würde, ich hätte wenigstens doppelt so lange benötigt, gäbe es Scholar und google.books nicht, ganz zu schweigen von den sonstigen zugänglichen Quellen.
So sind nur etwa 30 Bücher (also tatsächlich greifbare Bücher aus Papier) in das Buch eingeflossen.
Ich arbeite seit jeher so, dass ich zunächst alles in ein Dokument kopiere und wild Gedanken verfasse. Eine höchst fehleranfällige Arbeitsweise. Nun sind jedoch meistens die Kopien in einer anderen Schriftart, damit ist die Fehleranfälligkeit schon einmal geringer. Darüber hinaus ist der Stil natürlich auffällig anders. Dass ich also versehentlich eine größere Passage kopiere, ohne sie als Zitat zu kennzeichnen, ist durchaus möglich, allerdings unwahrscheinlich.
Im Fall eines unterhaltsamen Sachbuchs tritt im Unterschied zu einer Doktorarbeit eine Problematik hinzu: Die Lesbarkeit soll unter der Quellengenauigkeit nicht leiden.
“So schrieb Bla in Blub”, “Vergleiche Meister Eder in Festschrift für Hugendubel” – das sind auf Dauer echte Pointenkiller.
Als Beispiel für den Balanceakt nun folgende Stelle:
“Thus the concepts of ‘foreplay’ and ‘post coital relaxation’, which within the culture of sexuality are considered norms of ‘good sex’, are toned down or non-existent in hard-core pornography.”
(nachzulesen hier)
Auf Seite 178 (des Dokuments) habe ich den in diesem Zitat enthaltenen Gedanken ausgeführt:
“Porno kann weder Spannung aufbauen, noch Entspannung zeigen, der Regisseur eines Spielfilms kann zwar die Erotik und das postorgasmische Chillen in Szene setzen, muss aber die Penetration schamvoll mit einem Laken verhüllen, ein Porno beginnt üblicherweise mit einem Penis in einem Mund und endet mit Sperma an prominenter Stelle.”
Auf Seite 176 (des Dokuments) erwähne ich die Studie, aus der der ursprüngliche Gedanke stammt.
“Die Studie Youth, Gender and Pornography in the Nordic Countries des Nordic Gender Institute kam zu dem Ergebnis, dass Jugendliche ganz deutlich zwischen der Realität und Pornographie unterscheiden.”
Nun ist es nicht so, dass man den Gedanken nicht selber gehabt haben könnte. Und man kann tatsächlich nach intensiver Auseinandersetzung mit einem Thema nur schwer auseinanderhalten, ob man selbst oder einer der vielen Autoren, die man gelesen hat, die Idee hatte.
In einer wissenschaftlichen Arbeit wäre jedoch aus zwei Gründen ein “Vergleiche Studie ….” in einer Fußnote naheliegend gewesen: Erstens habe ich diese Studie gelesen, zweitens ist es ja gerade von Vorteil, belegen zu können, dass der Gedanke nicht aus der Luft gegriffen ist.
Mein Buch besteht aus Geschichten und Sachteilen. Und so besteht auch eine juristische Arbeit aus Darlegungen und Stellungnahmen. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob die Stellungnahme zwingend eigene Gedanken erfordert. Ich kann lediglich eines ausschließen: Kein Autor, sei er nun nebenbei Mutter, Parlamentarier, Metzger oder Pferdewirt, wird gedankenlos mit seiner Einführung umgehen.
Dass zu Guttenberg die Einleitung seiner Doktorarbeit Abschnitt für Abschnitt abgeschrieben hat, ist so, als hätte ich den Anfang meines Buchs von einem anderen Autor übernommen und vergessen, darauf hinzuweisen.
Das ist ausgeschlossen.
Oder um es in den Worten des Ministers zu sagen: abstrus.
Der arme Guttenberg. Hat einen Ghostwriter angeheuert, der entweder keinen Bock, keine Ahnung oder ihn gehasst hat, und dann die Arbeit in gutem Glauben, ohne sie selbst auf Plagiate zu überprüfen, einfach abgegeben. Tja. Aus der Nummer kommt er wohl nicht so einfach raus.
Was wohl auch Heribert Prantl meint, wenn er schreibt:
“Der Vergleich mit Werken, die ausschließlich gedruckt vorliegen, steht noch bevor. Vielleicht weiß nicht einmal Guttenberg selbst, was da noch zu erwarten ist.”
http://www.sueddeutsche.de/politik/plagiatsvorwurf-gegen-guttenberg-ueber-fussnoten-stolpern-1.1062163
Wenn er die Arbeit selbst geschrieben hätte, hätte er ja gewusst, dass sich quasi auf jeder 2. Seite ein Plagiat befindet. Dann hätte er sich sicher nicht so weit aus dem Fenster gelehnt mit dem Geschwafel von ein paar von den 1200 Fußnoten, die “falsch gesetzt” wären, als die ersten Plagiatsvorwürfe mit den anfangs “nur” 8 Stellen aufkamen.
Ob er es schafft, sich da irgendwie rauszuretten, bleibt noch abzuwarten. Für die Universität Bayreuth, seinen Doktorvater und den Wissenschaftsbetrieb ist das ein größeres Desaster als für Guttenberg.
Politiker sollten jedenfalls daraus lernen, dass es dem Wahlvolk sowieso nicht darauf ankommt, ob einer einen Doktor hat oder nicht — die meisten (mich eingeschlossen) werden das mit dem Dr. iur. gar nicht gewusst haben. Was für ein armes, unsicheres Würstchen muss man denn sein, dass man sich so einem Risiko öffentlicher Ridicule im Falle der Entdeckung aussetzt, bloß weil man ohne den Dr. auf der Visitenkarte nicht leben kann?
Selten habe ich so viele Verfechter der These “Es gibt kein geistiges Eigentum” nach Plagiaten fahnden sehen.
Klar, weil’s schon Spaß macht, die Verlogenheit derer aufzuzeigen, die die mit einem Schulterzucken die Grundrechte einschränken, um die Besitzenden zu schützen.
Bei dieser Art von Plagiat geht’s im Übrigen nicht um Geld, sondern um Betrug, unakademisches Verhalten, und die ganzen Lügen, mit denen der Minister sich verteidigt hat, bevor er sich seine Doktorarbeit wohl das erste Mal durchgelesen hat. Der Dr. jur. von der Uni Bayreuth ist zum Witz geworden, Guttenbergs Doktorvater der Lächerlichkeit preisgegeben, und Guttenberg klebt feixend und schleimig grinsend weiter an seinem Ministersessel und salbadert was von Werten und Integrität. Ein wirklich widerliches Spektakel.
Geile Herangehensweise an das aktuelle Thema – und den Sachverhalt auch super mit unterhaltsamen Beispielen garniert. Note 1 Herr Doktor! ;-)
Gr0ßartige Realsatire: Frau Bundeskanzlerin Merkel spricht sich 2008 gegen Raubkopierer aus: http://www.youtube.com/watch?v=SoCrPXTH-98
Und aktuell aus dem Tagesspiegel: Guttenberg durfte nur mit Ausnahmegenehmigung promovieren, weil seine Juranoten zu schlecht waren
http://www.tagesspiegel.de/politik/csu-naher-professor-genehmigte-guttenberg-promotion-ausnahmsweise/3891682.html