“Bekanntlich gelang es dem BND, trotz einer großen Anzahl von SS-, SD- und Gestapo-Experten in seinen Aufbaujahren, weder den Bau noch den Fall der Mauer vorherzusagen, nicht die Wiedervereinigung, auch nicht den Zusammenbruch der Sowjetunion, wahrscheinlich nicht einmal die Uhrzeit.”
Rayk Wieland in der SZ vom 9./10. Mai
Man hat die USA vor dem elften September 2001 zu Unrecht als Hippiestaat in Erinnerung. 1994 wollte ich rasch noch die Freiheitsstatue erklimmen, bevor ich wieder zurück nach Deutschland musste. Am Eingang der Statue wurde mein Rucksack durchsucht, ein Marshall wurstelte mit einem Metalldetektor an mir herum, es war wie sonst nur bei Papstaudienzen oder auf dem Flughafen. Ich fragte, was es denn hier zu befürchten gebe und der schnauzbärtige Schwerbewaffnete antwortete freundlich: “Na, Terroristen halt.”
Ich hielt es damals für unwahrscheinlich, dass jemand die Freiheitsstatue entführen wollen könnte, immerhin hatte sie ja in Ghostbusters 2 bewiesen, dass sie recht selbständig ist, als sie Vigo, der Geißel der Karpaten, Einhalt gebot, aber ich war mir sicher: Sollte es jemand versuchen, würde der Marshall ihn aufhalten.
Nun ist aber dennoch der elfte September geschehen. Im Grunde eine Geste der militärischen Impotenz seitens der Islamisten, denn was haben die Auftraggeber der Attentäter gewonnen außer Rheuma von der feuchten Höhlenluft?
Aber doch konnten diese Amateure erheblichen Schaden anrichten.
Deshalb darf man nun nicht mehr mit Flüssigkeit reisen, muss, um in die USA zu gelangen, einen Reisepass besitzen, der mehr Daten über einen enthält als das eigene Tagebuch und wenn man schon einmal das Wort Gentrifizierung benutzt hat, wird man verhaftet.
Kann jetzt nichts mehr passieren?
Kommen wir noch einmal zu dem Zitat von Rayk Wieland zurück. Nicht nur der BND hat ja nichts gemerkt von den Vorgängen in der DDR, auch der andere Geheimdienst, der, der noch etwas näher dran war am Geschehen, war überrascht über das plötzliche Absterben der DDR. Die Stasi mit zwei Millionen Augen wusste zwar recht genau, wann Katharina Witt mit wem schlief, es gibt wilde Geschichten um geflohene Fußballer, die von im Westen tätigen Stasi-Agenten verunfallt wurden, jeder Gymnasiast wurde auf seine Linientreue durchleuchtet, Briefe wurden zensiert und das Fernsehen war fast so unehrlich wie 9live.
Nur verhindern konnten die sammelwütigen Agenten und ihre inoffiziellen Mistkäfer dann doch nichts.
Was im Umkehrschluss bekanntermaßen nicht bedeutet, dass sie nicht viel Unheil angerichtet hätten.
Wobei “Unheil anrichten” so großväterlich dräuend klingt, als wären es Worte aus einem Fußballfilm von Sönke Wortmann: Ein Schreckensregime haben die Versager bis zum 9. November aufrecht erhalten.
Wenn nun Markus Wehner in der FAZ die bedingte Abwehrbereitschaft der Deutschen beklagt, obwohl er doch ziemlich sicher weiß, dass ein furchtbarer Anschlag bevorsteht, dann kann man beim Lesen regelrecht sehen, wie ihm die Haare zu Berge stehen:
“Man stellt die Stimmungslage der Deutschen in Rechnung. Ihr Land soll so friedlich sein wie Luxemburg oder die Schweiz. Es soll Behörden haben, die die Sicherheit garantieren, aber dafür keine Eingriffsrechte in die Privatsphäre der Bürger bekommen. „Dieses Land fühlt sich nicht wirklich bedroht“, sagt ein führender Sicherheitsfachmann.”
Entschuldigung: Die Behörden sollen also mal endlich Eingriffsrechte in die Privatsphäre der Bürger bekommen? Damit man nach einem Anschlag schnell weiß, ob die Terroristen Landkarten auf dem Rechner hatten? Oder weil man sie wegen Dokumentenfälschung in Tatmehrheit mit Massenmord drankriegen kann, wenn man in der Lage ist nachzuweisen, dass ihr biometrischer Ausweis gelogen hat?
Es ist ganz bestimmt nicht erfreulich, Opfer eines Terroranschlags zu werden. Ich möchte zum Beispiel auch furchtbar ungern von einem Meteoriten erschlagen werden oder im Kampf um eine Kuh einem Stier unterliegen.
Aber weder Meteor noch Stier oder Terrorist lassen sich ernsthaft abhalten von ihrem Treiben, weil der Staat vorher in meine Privatsphäre eingedrungen ist.
Fragen Sie mal den Marshall von der Freiheitsstatue. Der kann ein Lied singen von Terrorbekämpfung durch Rucksackdurchwühlen.