Kleiner Führer für den modernen Populisten

Schritt 1:
Definieren Sie Ihre Zielgruppe. Dabei bietet es sich an, dass Ihre Zielgruppe größer ist als die Gruppe unter Punkt zwei, die zu diffamierende Gruppe. Ist Ihre Zielgruppe kleiner als die zu diffamierende Gruppe, dann sollte sie wenigstens reicher sein.
Schritt 2:
Definieren Sie die zu diffamierende Gruppe. Bleiben Sie hier ruhig vage. Wenn Sie sich Muslime aussuchen, dann müssen Sie in der Lage bleiben, auch zwei bosnische Jugendliche mit Goldkettchen und Bravo-Girl-Abo, die eine spektakuläre und ausschlachtbare Straftat begangen haben, aber leider den Koran für ein Rezeptbuch halten, mit gemeint zu haben, wenn Sie vor die Fernsehkameras treten. Wenn Arme Ihr Gegner sind, dann müssen Sie flexibel genug sein, ein armes Kind, das trotz seiner Armut große Kulleraugen mit heimtückischen Tränen hat, in einer Talkshow auch einmal gut zu finden und so zu tun, als könne es nichts für seine Situation.
Schritt 3:
Haben Sie irgendein besonderes Merkmal, das Sie und damit Ihre Parteigänger von den Nazis rechts von Ihnen unterscheidet. Denn Nazis sind out und gelten als dämlich, Sie aber wollen hoch hinaus. Seien Sie also bekennend schwul oder geschieden, tragen Sie eine prächtige Frisur oder erlesene Anzüge, haben Sie einen Doktor in Kunstgeschichte oder seien Sie Richter, haben Sie eine jüdische Großmutter oder einen streunenden Hund adoptiert.
Schritt 4:
Meiden Sie Nazivokabular. Sie wollen die von Ihnen in Punkt zwei definierte Gruppe nicht in Lager stecken, nicht ausmerzen, ausrotten, vernichten, in Grund und Boden stampfen. Sie wollen die Verfassung schützen, Auffangbecken in Nordafrika schaffen, Schlimmeres präventiv verhindern, auch für die Starken da sein.
Schritt 5:
Bekommen Sie feuchte Augen, wenn Sie von Ihrer Zielgruppe sprechen.
Schritt 6:
Ihre Zielgruppe ist grundsätzlich hart arbeitend, zahlt zu viele Steuern und ist ehrlich. Lebt Ihre Zielgruppe in Gänze von Hartz IV, dann haben Sie zwar bei der Zielgruppenanalyse etwas falsch gemacht, aber halten Sie durch: Auch der Alltag von Arbeitslosen ist zu sehr mit Fortbildungsmaßnahmen belastet, die Mehrwertsteuer ist zu hoch und wer schläft, sündigt nicht.
Schritt 7:
Sagen Sie etwas völlig Banales. Versehen Sie es mit dem Zusatz “Man wird ja noch sagen dürfen”.
Schritt 8:
Die, die sich jetzt erregen, das sind die Unterstützer der Gruppe aus Punkt 2: Die Gutmenschen. Die Gutmenschen sind Ihr eigentlicher Gegner. (Wenn Sie ein linker Populist sein wollen, dann können die Gutmenschen Ihr Verbündeter sein, aber Obacht: Gutmenschen neigen dazu, Zahlen sehen zu wollen und Konzepte. Außerdem verstehen die Gutmenschen die Freuden einer zackigen Ausländerbeschimpfung nicht – dabei tragen schließlich Fremdarbeiter die Schuld daran, dass Ihre Zielgruppe keine Arbeit findet). Wenn Gutmenschen Ihr Gegner sind, dann sind Sie nicht etwa böse, Sie sind Realist. Sie sind die Stimme der Vernunft in einer von Ideologien geprägten Welt.
Schritt 9:
Wiederholen Sie sich. Schwerlich hält am längsten, was einmal gesagt wurde. Sagen Sie das, was Sie zu sagen haben, jeden Tag.
Schritt 10:
Haben Sie nicht viel zu sagen: Kompliziertes taugt nicht für Schlagzeilen.
Schritt 11:
Haben Sie zu allem etwas zu sagen, aber immer dasselbe.
Schritt 12:
Meiden Sie Regierungsverantwortung, es könnte auffallen, dass Sie von nichts eine Ahnung haben. (Als putzmuntere Opposition können Sie auch von der Parteienfinanzierung profitieren.) Es sei denn, Sie bekommen die absolute Mehrheit: Dann wird es trotzdem auffallen, aber es liegt in Ihrer Hand, ob jemand darüber schreiben darf.

22 comments

  1. Guido Flesichflöte

    (edit: So etwas wird hier umgehend gelöscht, es erübrigt sich ja wohl eine Begründung)

  2. Jonathan (Weg Eins)

    Danke, werd’ mich demnächst mal dran versuchen!

  3. Chapeau!

  4. Schritt 13: Wenn es ihnen aus Versehen doch einmal gelingen sollte (als schwächere Partei) in Regierungsverantwortung zu kommen, versuchen Sie unbedingt die sympathischen Ämter zu ergattern. Das Außenministerium eignet sich normaler Weise recht gut und sie können ihre Weisheiten in die Welt hinaus tragen. In Deutschland z.B. waren die Außenminister oft die beliebtesten Politiker. Aber Vorsicht! Wenn die in Punkt 1 gewählt Gruppe zu klein ist, können sie schnell von ihrem Koalitionspartner auf die Mütze bekommen, ihre Umfragewerte sinken und sie müssen sich vorwerfen lassen, dass sie menschenverachtende Debatten anstoßen.

  5. Hihi, er hat “Führer” gesagt!

  6. dein Co-Autor wollte ungenannt bleiben ?!?

  7. frau b. gatten geb. trunken

    wer diese antleitung benötigt hat den ruhm weder verdient, noch das potential ihn jemals zu erreichen.

  8. Na ja, aber das Schema bedienen doch alle so, nicht nur “Konservative” und Rechte. Die Linken sind da auch nicht viel anders usw. Ein linker Liberaler, welcher der konservativen Zeitung Jungen Freiheit ein Interview gibt, und dabei nichts findet, wird da gleich zum Freund des rassistischen Massenmords oder der Neonazis stilisiert. Es ist einfach die heisse deutsche Lust an der Denunziation anderer, HartzIV, Moslems, usw.

  9. *Thumbs up*

    @Don: Es heißt ja auch “Führer für den modernen Populisten” und nicht für den “konservativen Populisten”.

  10. frau b. gatten geb. trunken

    und der bin ich! es kann nur einen geben- das war schon immer so

  11. Matthias Schumacher

    Schreiben Sie ein Blog voll und umgeben Sie sich nur mit Gleichgesinnten! Nennen Sie Andersdenkende zuweilen Populisten, nichts lenkt besser von der eigenen Rhetorik ab…

  12. Wenn Westerwelle vorgeworfen wird, Hartz-IV-Empfänger zu pauschalisieren, kann man das recht gut begründen; Westerwelle aber auf eine Ebene mit “Islamkritikern” wie etwa den Autoren von “PI” zu stellen, ist auch recht pauschal.

  13. @Matthias Schumacher
    Wenn meine Rhetorik populistisch sein soll, dann wüsste ich gern, gegen welche Minderheit ich hetzt: gegen Außenminister?

  14. @Kim
    Die FDP ist noch keine populistische Partei, aber Westerwelle hat eine sehr merkwürdige Entwicklung genommen: Sein Ein-Themen-Wahlkampf, seinen jüngsten Ausfälle – das ist schon die Lafontaine-Liga.

  15. Matthias Schumacher

    Du ignorierst. Und das ist Dir ist es nicht mal bewusst, glaube ich. Diese Ignoranz stärkt ein populäres, von mancher Seite gewolltes, aber schiefes Gesellschaftsbild. Verschweigen, weglassen, verzerren – wesentliche Bestandteile des Populismus.

    Ich wollte das letztens schon loswerden…

    Hartz IV-Bezieher sind nicht die Ärmsten der Gesellschaft!

    Mich ärgert der Eindruck, der da vermittelt wird, seit Monaten. Hartz IV ist zum Synonym für bettelarm geworden. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Ärmsten.

    Wir haben in Deutschland geschätzte 860.000 Obdachlose. Die sind nicht krankenversichert, unfallversichert, rentenversichert. Haben die eine Wohnung, die ihnen das Amt bezahlt?

    In den Talk-Shows: Hartz IV. Sarrazin: Hartz IV. Westerwelle: Hartz IV. Gabriel: Hartz IV. Merkel: Hartz IV, Gysi sowieso: Hartz IV… usw. Seit fünf Jahren sind ALG II-Empfänger die offiziellen Ärmsten der Gesellschaft. Wann wurde in Blogs, im TV, im Bundestag mal so ausführlich über Obdachlose gesprochen? Wie oft seit Einführung von Hartz IV?

    Obdachlose wählen ja nicht, das macht sie unattraktiv. Wer aber Angst hat, arbeitslos zu werden und dem “unerträglichen” Schicksal eines jeden Hartz-Beziehers ausgeliefert zu sein, den bekommt man vielleicht dazu, das Kreuz an der “richtigen” richtigen Stelle zu machen.

    Manche Populitiker scheinen sich gar nicht um Hartz IV, sondern um die Empfänger zu streiten. Millionen potenzielle Wähler – die kämen ALLEN Parteien gerade recht!

    Es geht nur noch um die, die am gesellschaftlich-medialen Leben teilnehmen, die beeinflussbar sind, die zu gewinnen sind. Unter der Brücke ist es schlecht mit malte-welding.com, da gibt’s auch keine Maischberger und keine Illner. Von Wahlkabinen keine Spur.

    Also Malte: Bitte immer an die einen denken und die anderen nicht vergessen! Auch nicht die, die das alles finanzieren müssen!

    Ende Januar waren in Deutschland schon wieder 15 Obdachlose erfroren.

    http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,674928,00.html

    Angesichts solcher Zustände in diesem Land kann ich vieles rund um Hartz IV einfach nur für Wohlstandsgejammer halten.

    Können wir uns vielleicht mal den Menschen am Rand der Gesellschaft zuwenden, anstatt uns ständig an Außenministern und Schnurrbartträgern abzuarbeiten?

  16. @Schumacher:
    Ich denke du hast du Intention dieses Blogs nicht ganz verstanden. Es geht hier denke ich doch vielmehr um eine Satire auf unseren charmanten, netten, überaus höflichen und vorallem weltoffenen Außenministers. Dass dir das Thema der ärmsten Menschen unseres Landes am Herzen liegt finde ich löblich aber fehl am Platz!

  17. Matthias Schumacher

    @mister mexx: Ging an Malte, der versteht das schon und weiß, wo es hingehört, warum usw. Danke für den Hinweis.

  18. @Matthias: Das sind in der Tat desolate Zustände, aber m.E. ist das eine völlig andere Diskussion. Jeder “deutsche” Obdachlose kann seinen Anspruch auf Hartz4 einlösen, wenn er den nötigen bürokratischen Aufwand auf sich nimmt. Dass man möglicherweise mehr Angebote machen müßte (aufsuchende Sozialarbeit, Armenspeisungen, Obdachlosenunterkünfte), darüber läßt sich diskutieren, aber es gibt kein Heilmittel, dass einem Obdachlosen die nötige Kraft und den Willen verleiht in das bürgerliche Leben zurück zu kommen. Obdachlosigkeit wird es auch in der Besten aller Gesellschaften geben. Niemand behauptet, dass Hartz4-Empfänger bettelarm sind, das Problem für die meißten ist doch die Stigmatisierung und das Gefühl an der Gesellschaft nicht teilhaben zu können.
    Hartz4 darf nicht als Almosenbettelei definiert werden, sondern als Einlösung eines bürgerlichen Grundrechts. Möglicherweise würde dieser Imagewandel auch manchen Obdachlosen dazu ermuntern seinen Anspruch einzulösen.

  19. Schritt 2458: Beantworten Sie komplizierte Fragen mit einem Hinweis auf die allgemeine Medienkampagne gegen Ihre Position, Partei, Person oder Schicht.

  20. @ Malte:
    Über einen Lafontaine-Vergleich kann man sicherlich reden, aber was hier sonst so angedeutet wird, sollte man sich sparen.

  21. Fulanos Worte

    Großartig zusammengefasst. Steht wahrscheinlich bei vielen Parteien schon im Parteibuch ;-)
    Gruß
    Fulano

  22. Wunderbar! Habe es gleich ausgedruckt und einem befreundeten Kommunalpolitiker an die Hand gegeben.

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