Achim Schröder, Professor für Kulturpädagogik und Jugendarbeit, schreibt in dem Aufsatz “Die Illusion der Sexualaufklärung: “(…) im Hinblick auf sexuelle Darstellungen im Fernsehen kann man beobachten, dass Kinder, die sich von einer genitalen Sexualität noch weit entfernt fühlen, die entsprechenden Sendungen ausschalten und meiden. Sie schauen nicht hin, hören nicht zu, nehmen nicht wahr.”
Er zitiert aus einer qualitativen Studie, die im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstellt wurde: “Gesehenes wird in der Regel erst dann mit Interesse wahrgenommen, wenn das Thema biografisch ansteht.”
Obst verdirbt, Kinder nicht, Kinder schalten ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind bewusst eine Geschichte wie Paul im Puff liest und danach eine Karriere als Prostituierte anstrebt, ist nicht existent. Aber was ist mit Jugendlichen? Wenn ein Siebzehnjähriger Pauls Untergang liest, möchte er dann nicht zwangsläufig auf LSD masturbieren und sich von seiner Freundin verlassen lassen?
Entschuldigung, verehrte Behörden, mein Gehirn verweigert leider gerade die Mitarbeit: An mir, dem Autor, soll es hängen, die Entscheidung darüber zu treffen, wer meine Texte verarbeiten kann? In Selbsthilfeforen steht regelmäßig vor Texten der Warnhinweis “Vorsicht, könnte triggern!”. Das ist ein netter Zug, ich bin jedoch nicht die Mama meiner Leser und ich wäre ein lausiger Schreiber, würde ich mir diese Rolle anmaßen.
Ich bin in diesem Jahr zwei Mal angezeigt worden, zwei Mal hatte ich putzige Gespräche mit LKA-Beamten, die durch so einen Käse von ihrer Arbeit abgehalten werden. Der eine ist normalerweise mit dem Abhören von Kindervergewaltigern beschäftigt. Er hat mir erzählt, was er da so hört. Verehrte Beamte, die Sie gerne hätten, dass ich meine Blogartikel nach jugendverderbendem Material durchkämme: Wie erklären Sie eigentlich Ihren Kollegen, die sich mit der ekelerregenden Wirklichkeit beschäftigen, Ihre Tätigkeit, die ausschließlich darin besteht, genau diesen Kollegen mehr Arbeit zu machen?
Jugendliche brauchen nicht mehr Schutz. Ich brauche ein Visum für ein freies Land.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Sozialpädagogen Constanze Bausch und Stephan Sting, dass die Auswirkung von Medien und Medienkultur auf die Sozialisation von Kindern untersucht, drehten 10-12-jährige Kinder aus einem Berliner Innenstadtbezirk eigene Werbeclips.
Binol und Wladimir schwingen ihre Hintern und Murat schreit in die Kamera: “Das ist das Parfüm für’s Arsch!”.
Die Kinder? Die machen Witze. Und Ihr macht Ernst. Ihr Idioten.